Die Schranksituation
So, sagt die pinke Nervensäge, du willst es also immer noch nicht einsehen? Ich schüttele heftig den Kopf, wärend ich mir beim angestrengten Versuch, endlich diese Schranktür aufzubekommen, fast ein Stück Zunge abbeiße. Mit dem ganzen Körpergewicht stemme ich mich gegen das knirschende Holz, aber das dämliche Ding will und will nicht aufgehen. Der Fisch zieht genüsslich an seiner Zigarette, bläst ein paar Rauchkringel in die Luft, murmelt in süffisantem Singsang, dass das so nie was werde, und fliegt dann noch eine kleine Runde durch den Raum. Was nicht Psychologie ist, ist Physik, sagt er dann, nachdem er sich wieder links oberhalb meiner Schulter positioniert hat, reine Physik. Hebelwirkung und so, das wird dir jawohl ein Begriff sein. Einen Moment unterbreche ich meine Bemühungen, latent gewaltbereit, was ich mir jedoch nicht anmerken lasse, und puste mir stattdessen den Pony aus den Augen. Das ist es ja, was dieser elende Klugscheißer will, mich vorführen, aber das kann er vergessen, so einfach kriegt er mich nicht, nicht mit mir. Außedem habe ich hier ganz andere Probleme. Ich geb dir gleich Hebelwirkung, denke ich mir und wende mich wieder meinem Problem zu. Der Schrank geht nicht auf, will nicht hergeben, was er in seinem wuchtigen Körper gefangen hält. Komm schon, knurre ich ihn an, wir hatten einen Deal. Du bekommst die Sachen für eine gewisse Zeit und darfst deinem Bedürfnis nach Aufbewahren nachgehen, aber irgendwann fordere ich sie zurück. Das haben wir immer so gehandhabt und wir waren beide glücklich damit. Oder, naja, was heißt glücklich, zumindest zufrieden. Es muss ja nicht immer gleich Glück sein, Zufriedenheit ist doch schon eine ganze Menge. Ich mein', schau dich doch mal um da draußen in der Welt, Zufriedenheit ist dieser Tage Trumpf und man kann nun mal nicht immer haben, was man will. Oder behalten was man hat, man muss auch loslassen können. Na also, sagt der Fisch neben mir, du hast ja doch irgendwann mal zugehört.
Anna Licht - 29. Sep, 01:02